Insolvenzanfechtung

Anfechtbare Rechtshandlung


Angefochten und im Interesse der Gläubigergesamtheit nach § 143 Abs. 1 InsO rückgängig zu machen ist genau genommen nicht die Rechtshandlung selbst, sondern deren gläubigerbenachteiligende Wirkung, die durch die Rechtshandlung verursacht wird. Mit der Anfechtung wird nicht ein Handlungsunrecht sanktioniert. Angefochten wird vielmehr allein die durch die Rechtshandlung ausgelöste Rechtswirkung, die gläubigerbenachteiligend ist BGHZ, 147, 233, 236; BGH, Urt. v. 21. Januar 1999 - IX ZR 329/97, ZIP 1999, 406; HK-InsO/Kreft, 5. Aufl. § 129 Rn. 6). Entscheidende Frage ist deshalb, ob die konkrete gläubigerbenachteiligende Wirkung Bestand haben soll.

Ist aber maßgeblich auf die eingetretene Rechtswirkung abzustellen, die die Benachteiligung der Gläubigergesamtheit zur Folge hat, kann ein Vorteilsausgleich mit sämtlichen anderen Wirkungen der Rechtshandlung nicht vorgenommen werden. Der Eintritt einer Gläubigerbenachteiligung ist isoliert mit Bezug auf die konkret angefochtene Minderung des Aktivvermögens (hier: Entstehung der Sachhaftung) oder der Vermehrung der Passiva zu beurteilen (BGHZ 174, 228, 234 Rn. 18). Deshalb sind nur solche Folgen zu berücksichtigen, die ihrerseits an die konkret angefochtene Rechtswirkung anknüpfen.

BGH, Urteil vom 09.07.2009, IX ZR 86/08 [100 KB]

Befriedigung mit Kreditmitteln


Erfüllt der Schuldner mit darlehensweise in Anspruch genommenen Mitteln die Forderung eines späteren Insolvenzgläubigers, bewirkt dies regelmäßig eine Gläubigerbenachteiligung, wenn das Schuldnervermögen nach der Verfahrenseröffnung nicht ausreicht, um alle Forderungen zu befriedigen.

BGH, Urteil vom 7. Februar 2002 - IX ZR 115/99 [91 KB]

Anspruch aus Darlehen gehört zur Insolvenzmasse


Der Anspruch des Insolvenzschuldners aus einem Darlehensvertrag mit der Zweckbindung, den Kreditbetrag einem bestimmten Gläubiger zuzuwenden, gehört grundsätzlich zur Insolvenzmasse. Das gilt auch dann, wenn der Kredit nicht unmittelbar an den Begünstigten ausgezahlt wird, sondern die Valuta zunächst auf das Fremdgeldkonto eines von Schuldner und Darlehensgeber gemeinsam beauftragten Rechtsanwalts überwiesen und von dort an den Begünstigten weitergeleitet wird (Fortführung von BGH, Urteil vom 7. Juni 2001 - IX ZR 195/00, NZI 2001, 539).

BGH, Urteil vom 17. März 2011 - IX ZR 166/08 [96 KB]

Mittelb. Gläubigerbenachteiligg. d. Vertragsübern.


Eine Gläubigerbenachteiligung liegt vor, wenn die Rechtshandlung entweder die Schuldenmasse vermehrt oder die Aktivmasse verkürzt und dadurch den Zugriff auf das Vermögen des Schuldners vereitelt, erschwert, oder verzögert hat, mithin wenn sich die Befriedigungsmöglichkeiten der Insol- venzgläubiger ohne die Handlung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise güns- tiger gestaltet hätten (BGH, Urteil vom 9. Juli 2009 - IX ZR 86/08, WM 2009, 1750 Rn. 25; vom 17. März 2011 - IX ZR 166/08, ZIP 2011, 824 Rn. 8; vom 29. September 2011 - IX ZR 74/09, ZInsO 2011, 1979 Rn. 6 mwN).

Für eine mittelbare Benachteiligung der Insolvenzgläubiger reicht es aus, wenn es zwar an einer unmittelbaren Benachteiligung durch die Rechtshandlung fehlt, sich aber im Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung im Anfechtungsprozess ergibt, dass die Möglichkeit der Gläubiger, sich aus dem Vermögen des Schuldners zu befriedigen, durch das Hinzutreten weiterer Umstände beeinträchtigt wurde (vgl. BGH, Urteil vom 26. April 2012, aaO Rn. 22)

Wird eine Forderung, die bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens nur Insolvenzforderung gemäß § 38 InsO geworden wäre, durch eine Rechtshandlung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens so verändert, dass sie im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit zu begleichen ist, wird die Gesamtheit der Insolvenzgläubiger mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens dadurch benachteiligt, dass diese Forderung vor ihren Forderungen befriedigt wird. Denn durch die Verminderung der Masse verringert sich ihre Quote und damit ihre Befriedigungsmöglichkeit im Insolvenzverfahren (BGH, Urteil vom 26. April 2012, aaO Rn. 26).

BGH, Urteil vom 08.11.2012, IX ZR 77/11 [140 KB]

Übertragung wertausschöpfend belastetes Grundstück


Die Übertragung eines wertausschöpfend belasteten Grundstücks durch den Schuldner ist objektiv gläubigerbenachteiligend, wenn die bei der Übertragung noch bestehenden Belastungen im Nachhinein vertragsgemäß von ihm beseitigt werden.

BGH, Urteil vom 19. Mai 2009, IX ZR 129/06 [100 KB]

Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung


Die Zahlung der Arbeitnehmeranteile zu den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen kann als Rechtshandlung des Arbeitgebers im Insolvenzverfahren über dessen Vermögen als mittelbare Zuwendung an die Einzugsstellen angefochten werden.

BGH, Urteil v. 05.11.2009 - IX ZR 233/08 [109 KB]

Zahlung über Bankkonto - geduldete Überziehung


Schöpft der Schuldner neue Gelder aus einer lediglich geduldeten Kontoüberziehung und fließen sie infolge seiner Rechtshandlung einem Gläubiger direkt zu, so kommt die Anfechtung dieser mittelbaren Zuwendung durch den Insolvenzverwalter ohne Rücksicht darauf in Betracht, ob aus der Einräumung des Überziehungskredits für die Masse ein pfändbarer Anspruch gegen die Bank entsteht oder durch die Valutierung von Sicherheiten ein entsprechender Rückübertragungsanspruch verloren geht (Aufgabe der bisherigen Rechtssprechung; BGH IX ZR 31/05 [90 KB] ).

BGH, Urteil v. 06.10.2009 - IX ZR 191/05 [92 KB]

Überweisung von einem überzogenem Konto


Veranlasst das Kreditinstitut, das für den Schuldner ein überzogenes Konto führt, die einer Kontopfändung zugrunde liegende Forderung durch Überweisung an den Pfändungsgläubiger zu begleichen, und erteilt der Schuldner hierauf einen entsprechenden Überweisungsauftrag, kommt in Höhe des überwiesenen Betrages ein Darlehensvertrag zustande; durch die Überweisung werden die Insolvenzgläubiger benachteiligt.

BGH, Urteil v. 28.02.2008 - IX ZR 213/06 [85 KB]

Herstellung der Aufrechnungslage durch Verkauf


Verkauft der spätere Insolvenzschuldner kurz vor dem Eröffnungsantrag an einen Gläubiger Gegenstände, so werden die Insolvenzgläubiger durch die zugunsten des Käufers hergestellte Aufrechnungslage auch dann benachteiligt, wenn der Käufer von dem Schuldner umfangreiche Pflichten gegenüber Dritten übernimmt.

BGH, Urteil v. 02.06.2005 - IX ZR 263/03 [30 KB]

Zahlung einer Geldstrafe


Die Zahlung einer Geldstrafe unterliegt der Insolvenzanfechtung.

BGH, Urteil vom 14. Oktober 2010 - IX ZR 16/10 [94 KB]

Zahlung durch nicht pers. haftende Gesellschafter


Begleichen nicht persönlich haftende Gesellschafter die Verbindlichkeit einer Gesellschaft auf deren Anweisung gegenüber einem Gläubiger, scheidet eine Gläubigerbenachteiligung aus, wenn die Gesellschafter durch die Zahlung keine eigene Schuld gegenüber der Gesellschaft getilgt haben.

BGH, Beschluss vom 16. Oktober 2008 - IX ZR 147/07 [77 KB]

Leistung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung


Die Leistung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung kann auch dann als inkongruente Deckung anfechtbar sein, wenn der Gläubiger unter Ankündigung der Zwangsvollstreckung zur umgehenden Leistung auffordert, ohne eine letzte konkrete Frist zu setzen (Ergänzung zu BGH, ZInsO 2003, 611).

BGH, Urteil vom 20. Januar 2011 - IX ZR 8/10 [92 KB]

Inkongruenz der vorfälligen Darlehenstilgung


Wird eine Darlehensforderung in kritischer Zeit infolge einer anfechtbaren Kündigung des Schuldners fällig, erlangt der Gläubiger durch die anschließende Tilgung der sonach fälligen Verbindlichkeiten eine inkongruente Deckung [InsO § 131 Abs. 1 Nr. 2].

BGH, Urteil vom 14. Mai 2009 - IX ZR 63/08 [103 KB]

Inkongruenz der Darlehensrückführung durch Scheck


Reicht der Schuldner bei seiner Bank zwecks Darlehensrückführung ihm von einem Dritten zur Erfüllung einer Forderung überlassene Kundenschecks ein, erlangt die Bank eine inkongruente Deckung, wenn ihr die den Schecks zugrunde liegenden Kausalforderungen nicht abgetreten waren [§ 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO, AGB-Banken Nr. 15 Abs. 2].

BGH, Urteil vom 14. Mai 2009 - IX ZR 63/08 [103 KB]

Anfechtbarkeit d. vorzeitigen Darlehensrückführung


[...] Nach dem ursprünglichen Darlehensvertrag hätte die Schuldnerin das Darlehen nicht im Februar 2004 zurückzahlen, die Beklagte hätte die Rückzahlung nicht fordern dürfen. Die vorzeitige Fälligkeit des Darlehens zum 15. Februar 2004 haben die Vertragsparteien erst in dem Abänderungsvertrag vom 2. Februar 2004 vereinbart. Dieser Abänderungsvertrag stellt jedoch keine wirksame Kongruenzvereinbarung für die spätere Zahlung dar, wenn die Schuldnerin zum Zeitpunkt ihrer Vereinbarung bereits zahlungsunfähig und deshalb die Abänderungsvereinbarung selbst gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar war (BGH, Urteil vom 2. Februar 2006 - IX ZR 67/02, BGHZ 166, 125 Rn. 39 f; MünchKomm-InsO/Kirchhof, 2. Aufl., § 131 Rn. 10; Jaeger/Henckel, InsO, § 131 Rn. 4; Kayser, aaO). Die Abänderungsvereinbarung war selbst inkongruent, weil die Beklagte ihren Abschluss nicht verlangen konnte. [...]

Der Begriff der Zahlungsunfähigkeit beurteilt sich im gesamten Insolvenzrecht und darum auch im Rahmen des Insolvenzanfechtungsrechts nach § 17 InsO (BGH, Urteil vom 29. März 2012 - IX ZR 40/10, NZI 2012, 663 Rn. 8; vom 6. Dezember 2012 - IX ZR 3/12, NZI 2013, 140 Rn. 16 ff). Zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO kann eine Liquiditätsbilanz aufgestellt werden. Dabei sind die im maßgeblichen Zeitpunkt verfügbaren und innerhalb von drei Wochen flüssig zu machenden Mittel in Beziehung zu setzen zu den am selben Stichtag fälligen und eingeforderten Verbindlichkeiten (BGH, Urteil vom 29. März 2012, aaO). Beträgt die innerhalb von drei Wochen nicht zu beseitigende Liquiditätslücke des Schuldners weniger als 10 vom Hundert seiner fälligen Gesamtverbindlichkeiten, ist regelmäßig von Zahlungsfähigkeit auszugehen, es sei denn, es ist bereits absehbar, dass die Lücke demnächst mehr als 10 vom Hundert erreichen wird. Beträgt die Liquiditätslücke des Schuldners 10 vom Hundert oder mehr, ist dagegen regelmäßig von Zahlungsunfähigkeit auszugehen, sofern nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig geschlossen wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalles zuzumuten ist (BGH, Urteil vom 6. Dezember 2012, aaO Rn. 19 mwN). [...] Im Insolvenzanfechtungsprozess ist die Erstellung einer Liquiditätsbilanz jedoch nicht erforderlich, wenn auf andere Weise festgestellt werden kann, ob der Schuldner einen wesentlichen Teil seiner fälligen Verbindlichkeiten nicht bezahlen konnte. Hat der Schuldner seine Zahlungen eingestellt, begründet dies auch für die Insolvenzanfechtung gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO die gesetzliche Vermutung der Zahlungsunfähigkeit. Zahlungseinstellung ist dasjenige nach außen hervortretende Verhalten des Schuldners, in dem sich typischerweise ausdrückt, dass er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Eine Zahlungseinstellung kann aus einem einzelnen, aber auch aus einer Gesamtschau mehrerer darauf hindeutender, in der Rechtsprechung entwickelter Beweisanzeichen gefolgert werden (BGH, Urteil vom 6. Dezember 2012, aaO Rn. 20 mwN). Die tatsächliche Nichtzahlung eines erheblichen Teils der fälligen Verbindlichkeiten reicht für eine Zahlungseinstellung aus. Das gilt selbst dann, wenn tatsächlich noch geleistete Zahlungen beträchtlich sind, aber im Verhältnis zu den fälligen Gesamtschulden nicht den wesentlichen Teil ausmachen (BGH, Urteil vom 30. Juni 2011 - IX ZR 134/10, NZI 2011, 589 Rn. 12 mwN). Haben im fraglichen Zeitpunkt fällige Verbindlichkeiten erheblichen Umfangs bestanden, die bis zur Verfahrenseröffnung nicht mehr beglichen worden sind, ist regelmäßig von einer Zahlungseinstellung auszugehen. Eine bloß vorübergehende Zahlungsstockung liegt nicht vor, wenn es dem Schuldner über mehrere Monate nicht gelingt, seine fälligen Verbindlichkeiten spätestens innerhalb von drei Wochen auszugleichen und die rückständigen Beträge insgesamt so erheblich sind, dass von lediglich geringfügigen Liquiditätslücken keine Rede sein kann (BGH, Urteil vom 10. Januar 2013 - IX ZR 13/12, NJW 2013, 611 Rn. 16 mwN). Diese Rechtsprechung war dem Berufungsgericht bekannt. Es war allerdings der Ansicht, es müsse zum maßgeblichen Zeitpunkt eine Liquiditätslücke von mehr als 10 vom Hundert der fälligen Gesamtverbindlichkeiten festgestellt werden. Dies trifft nicht zu. Es bedarf keiner Darlegung und Feststellung der genauen Höhe der gegen den Schuldner bestehenden Verbindlichkeiten oder gar einer Unterdeckung von mindestens 10 vom Hundert (BGH, Urteil vom 30. Juni 2011 - IX ZR 134/10, NZI 2011, 589 Rn. 13; vom 15. März 2012 - IX ZR 239/09, NZI 2012, 416 Rn. 9). [...]

BGH, Urteil vom 07.05.2013 - IX ZR 113/10 [129 KB]

Anfechtung von Globalzessionsverträgen


Globalzessionsverträge sind auch hinsichtlich der zukünftig entstehenden Forderungen grundsätzlich nur als kongruente Deckung anfechtbar.

Das Werthaltigmachen zukünftiger Forderungen aus Globalzessionen ist als selbständige Rechtshandlung anfechtbar, wenn es dem Vertragschluss zeitlich nachfolgt; insoweit handelt es sich ebenfalls um eine kongruente Deckung, wenn dies für das Entstehen der Forderung zutrifft.

Die Insolvenzanfechtung von global abgetretenen, zukünftig entstehenden Forderungen scheitert grundsätzlich nicht am Vorliegen eines Bargeschäfts.

BGH, Urteil vom 29. November 2007 - IX ZR 30/07 [119 KB]

Verrechnungen im Kontokorent


Verrechnungen im Kontokorrent zur Erfüllung eigener Ansprüche der Bank sind nicht als Bardeckung unanfechtbar. Ein Kredit zur Ablösung von Verbindlichkeiten des Schuldners, für welche die Bank sich verbürgt hat, stellt keine gleichwertige Gegenleistung für die Verrechnung von Zahlungseingängen dar, wenn und soweit die Bank endgültig von ihrer Bürgschaftsverbindlichkeit frei geworden ist.

BGH, Urteil v. 11.10.2007 - IX ZR 195/04 [79 KB]

Verrechnungen im Kontokorent


Verrechnet eine Bank für den Kunden eingehende Zahlungen mit ihrem noch nicht fälligen Anspruch auf Darlehensrückzahlung, ist die dadurch erlangte Befriedigung nicht inkongruent, wenn die Verrechnung mit dem Kunden vereinbart war.

BGH, Urteil v. 11.02.2010 - IX ZR 42/08 [69 KB]

Zahlung durch nicht verpflichteten Geschäftsführer


Begleicht der hierzu nicht verpflichtete Geschäftsführer der späteren Insolvenzschuldnerin deren Verbindlichkeit aus eigenen Mitteln, benachteiligt er hierdurch nicht die späteren Insolvenzgläubiger.

BGH, Urteil vom 21. Juni 2012 - IX ZR 59/11 [120 KB]

Drohung mit einem Insolvenzantrag


Eine ernsthafte Drohung mit einem Insolvenzantrag, die zu einer inkongruenten Deckung i.S.d. § 131 Abs. 1 InsO führen kann, kann auch gegeben sein, wenn sich ein Gläubiger in einem Schreiben an die Gemeinschuldnerin die Stellung eines Insolvenzantrages lediglich "vorbehält".

OLG Brandenburg, Urt. v. 20.07.2012 - 7 U 123/11 [65 KB]

Anfechtbarkeit von Lastschriften


Gilt eine Lastschrift nach den AGB-Banken mit Ablauf von sechs Wochen nach Zusendung eines Rechnungsabschlusses ohne Einlegung eines Widerspruches als genehmigt, so stellt diese fingierte Genehmigung ein Schuldanerkenntnis bezüglich des Kontensaldos dar. Anfechtbare Rechtshandlung i.S.d. § 129 InsO ist dabei sowohl das Unterlassen des Widerspruches als auch das Schuldanerkenntnis selbst.

AG Bonn, Urt. v. 09.08.2012 - 111 C 98/11 [31 KB]

Druckantrag als inkongruente Deckung


Erlangt ein Gläubiger mehrere Monate nach einem von ihm gegen den Schuldner gestellten Insolvenzantrag durch diesen Befriedigung seiner Forderung und nimmt er anschließend den Antrag zurück, kann die Vorsatzanfechtung unter dem Gesichtspunkt einer inkongruenten Deckung durchgreifen.

Von einer Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit kann nicht ausgegangen werden, wenn sich der Schuldner durch die Befriedigung seiner gegenwärtigen Gläubiger der Mittel entäußert, die er zur Begleichung seiner künftigen, alsbald fällig werdenden Verbindlichkeiten benötigt.

BGH, Urteil vom 25. Oktober 2012 - IX ZR 117/11 [141 KB]

Zahlung eines Dritten an Sozialversicherungsträger


...

b) Vereinbart der Schuldner mit einem Dritten, dieser solle die geschuldete Zahlung an den Sozialversicherungsträger des Schuldners zur Tilgung einer fälligen Beitragsforderung vornehmen, bewirkt die Zahlung in der Regel eine inkongruente Deckung.

BGH, Urteil vom 9. Januar 2003 - IX ZR 85/02 [58 KB]

Anfechtung bei Skontoabzug


Zahlt der Schuldner vor Fälligkeit unter Ausnutzung einer befristet eingeräumten Möglichkeit zum Skontoabzug, ist die dadurch bewirkte Deckung regelmäßig nicht inkongruent.

BGH, Beschluss vom 6. Mai 2010 - IX ZR 114/08 [73 KB]

Überweisung nach Aussetzung der Vollziehung


Verfügt der Schuldner nach Aussetzung der Vollziehung einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung der Finanzverwaltung über das gepfändete Konto, werden die Insolvenzgläubiger dadurch benachteiligt.

BGH, Urteil vom 20. November 2008 - IX ZR 130/07 [97 KB]

Anfechtung abgeführter Sozialversicherungsbeiträge


Zur Insolvenzanfechtung innerhalb und außerhalb des gesetzlichen Dreimonatszeitraums abgeführter Sozialversicherungsbeiträge (zusammenfassende Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung).

BGH, Urteil vom 8. Dezember 2005 - IX ZR 182/01 [101 KB]

Scheckzahlung in der Zwangsvollstreckung


Stellt ein Schuldner einen Scheck aus und übergibt diesen einem anwesenden und vollstreckungsbereiten Vollziehungsbeamten, so beruht die durch Einlösung des Schecks erfolgte Zahlung auch dann auf einer Rechtshandlung des Schuldners, wenn der Vollziehungsbeamte ohne die Ausstellung des Schecks erfolgreich in das sonstige Vermögen des Schuldners vollstreckt hätte.

BGH, Urt. v. 14.06.2012 - IX ZR 145/09 [151 KB]

Überweisung nach Pfändung des Kontoguthabens


Hat der Gläubiger außerhalb des Drei - Monats - Zeitraums ein Pfandrecht an enem Kontoguthaben des Schuldners erwirkt, liegt in der Überweisung des Guthabens von dem Schuldner an den Gläubiger wegen des insoweit bestehenden Absonderungsrechts keine Gläubigerbenachteiligung. Die Pfändung des Guthabens selbst unterliegt als Rechtshandlung des Gläubigers nicht der Vorsatzanfechtung.

BGH, Urteil vom 22. November 2012, IX ZR 142/11 [131 KB]

Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz


Zur Widerlegung der Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO muss der Anfechtungsgegner konkrete Umstände darlegen und beweisen, die es naheliegend erscheinen lassen, dass ihm der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners nicht bekannt war.

BGH, Urteil vom 24. Mai 2007 - IX ZR 97/06 [96 KB]

Zum Benachteiligungsvorsatz


a) Eine Zahlung, die der Schuldner zur Abwendung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen an den Gerichtsvollzieher leistet, ist eine Rechtshandlung des Schuldners.

b) Gewährt der Schuldner dem Gläubiger auf eine fällige Forderung eine Leistung früher als drei Monate vor dem Eröffnungsantrag, so stellt sie sich nicht bereits deshalb als inkongruente Deckung dar, weil sie zur Vermeidung einer unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung erfolgt.

c) Für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz genügt auch bei einer kongruenten Deckung bedingter Vorsatz.

d) Einem Schuldner, der weiß, daß er nicht alle seine Gläubiger befriedigen kann, und der Forderungen eines einzelnen Gläubigers vorwiegend deshalb erfüllt, um diesen von der Stellung eines Insolvenzantrages abzuhalten, kommt es nicht in erster Linie auf die Erfüllung seiner gesetzlichen oder vertraglichen Pflichten, sondern auf die Bevorzugung dieses einzelnen Gläubigers an; damit nimmt er die Benachteiligung der Gläubiger im allgemeinen in Kauf.

BGH, Urteil vom 27. Mai 2003 - IX ZR 169/02 [76 KB]

Anfechtung einer Drittzahlung


Der Anspruch des Insolvenzschuldners aus einem Darlehensvertrag mit der Zweckbindung, den Kreditbetrag einem bestimmten Gläubiger zuzuwenden, gehört grundsätzlich zur Insolvenzmasse. Das gilt auch dann, wenn der Kredit nicht unmittelbar an den Begünstigten ausgezahlt wird, sondern die Valuta zunächst auf das Fremdgeldkonto eines von Schuldner und Darlehensgeber gemeinsam beauftragten Rechtsanwalts überwiesen und von dort an den Begünstigten weitergeleitet wird (Fortführung von BGH, Urteil vom 7. Juni 2001 - IX ZR 195/00, NZI 2001, 539).

BGH, Urteil vom 17. März 2011 - IX ZR 166/08 [96 KB]

Anfechtung einer Drittzahlung


Der Anspruch des Gemeinschuldners aus einem Darlehensvertrag mit der Zweckbindung, den Kreditbetrag einer bestimmten Person zu gewähren, gehört grundsätzlich zur Insolvenzmasse. Durch die Leistung des Kredits an den Begünstigten können daher die Gläubiger benachteiligt werden.

BGH, Urteil vom 7. Juni 2001 - IX ZR 195/00 [45 KB]

Prüfung der Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatzes


Zu den Anforderungen an die Prüfung der Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners.

BGH, Urteil vom 13. Mai 2004 - IX ZR 190/03 [27 KB]

Zur Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit


a) Der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz nach § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO setzt kein unlauteres Zusammenwirken von Schuldner und Gläubiger voraus.

b) Von einem Gläubiger, der Umstände kennt, die zwingend auf eine mindestens drohende Zahlungsunfähigkeit schließen lassen, ist zu vermuten, daß er auch die drohende Zahlungsunfähigkeit selbst kennt.

BGH, Urteil vom 17. Juli 2003 - IX ZR 272/02 [70 KB]

Anfechtung der Zahlung einer Geldauflage


Die Einstellung eines Strafverfahrens darf nicht von der Zahlung einer Geldauflage an die Staatskasse abhängig gemacht werden, wenn der Angeschuldigte durch die Erfüllung der Auflage seine Gläubiger benachteiligt.

Entrichtet der Angeschuldigte einen Geldbetrag an die Staatskasse, um eine Auflage zu erfüllen, von der die Einstellung eines Strafverfahrens gegen ihn abhängt, erbringt er keine unentgeltliche Leistung, wenn die erteilte Auflage in einem ausgewogenen Verhältnis zu dem Verurteilungsrisiko und dem öffentlichen Interesse an der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs steht.

Die vom Schuldner an die Staatskasse geleisteten Zahlungen können vom Insolvenzverwalter zurückverlangt werden, wenn der Schuldner die hierdurch bewirkte Benachteiligung seiner Gläubiger billigend in Kauf genommen hat, um durch Erfüllung einer entsprechenden Auflage die Einstellung eines gegen ihn laufenden Strafverfahrens zu erreichen, während die Staatsanwaltschaft wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zumindest drohte und die geleisteten Zahlungen seine Gläubiger benachteiligten.

BGH, Urteil vom 5. Juni 2008 - IX ZR 17/07 [94 KB]

Druckzahlung nach Antragstellung


Erlangt ein Gläubiger mehrere Monate nach einem von ihm gegen den Schuldner gestellten Insolvenzantrag durch diesen Befriedigung seiner Forderung und nimmt er anschließend den Antrag zurück, kann die Vorsatzanfechtung unter dem Gesichtspunkt einer inkongruenten Deckung durchgreifen.

Von einer Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit kann nicht ausgegangen werden, wenn sich der Schuldner durch die Befriedigung seiner gegenwärtigen Gläubiger der Mittel entäußert, die er zur Begleichung seiner künftigen, alsbald fällig werdenden Verbindlichkeiten benötigt.

BGH, Urteil vom 25. Oktober 2012 - IX ZR 117/11 [141 KB]

Anfechtung von Barzahlung an Gerichtsvollzieher


Teilzahlungen des Schuldners, die dieser nach fruchtloser Zwangsvollstreckung im Rahmen einer vom Gerichtsvollzieher herbeigeführten Ratenzahlungsvereinbarung erbringt, sind wegen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung anfechtbar (Ergänzung zu BGHZ 155, 75; 162, 143).

BGH, Urteil vom 10. Dezember 2009 - IX ZR 128/08 [106 KB]

Anfechtung abgeführter Sozialversicherungsbeiträge


Zur Insolvenzanfechtung innerhalb und außerhalb des gesetzlichen Dreimonatszeitraums abgeführter Sozialversicherungsbeiträge (zusammenfassende Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung).

BGH, Urteil vom 8. Dezember 2005 - IX ZR 182/01 [101 KB]

Teilzahlungen an Vollstreckungsperson


1. Begnügen sich Vollstreckungsbeamte mit einem Teilzahlungsangebot des Schuldners, ohne weitere Zwangsmaßnahmen zu erwägen, liegt eine schuldnerische Rechtshandlung i. S. d. § 133 Abs. 1 InsO vor (Fortführung von BGH ZIP 2005, 494 = ZVI 2005, 204, dazu EWiR § 133 InsO 2/05, 607 (Eckardt)).

2. Werden Steuerverbindlichkeiten über Jahre vollstreckt, liegt Kenntnis von zumindest drohender Zahlungsunfähigkeit vor. Aus dem Lohnsteueraufkommen erschließt sich dem Finanzamt auch, dass weitere Gläubiger – Arbeitnehmer und Sozialversicherungsträger – vorhanden waren, deren Befriedigung hierdurch gefährdet wurde (Bestätigung von BGH ZIP 2003, 1799, dazu EWiR § 133 InsO 1/04, 25 (Gerhardt)).

OLG München, Urteil vom 28.03.2007 – 20 U 4101/06 [1.067 KB]

Umwandlung in eine pfändungsgesch. Versicherung


Die Umwandlung [einer ursprünglich nicht pfändungsgeschützten Versicherung in eine pfändungsgeschützte Versicherung] stellt eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung dar, weil der zunächst massezugehörige Rückkaufswert der Versicherung der Masse durch die Umwandlung entzogen wird (vgl. BGH-Beschluss vom 13.10.2011, XI ZR 80/11 Randziffer 3 und OLG Stuttgart aaO., unter II A 3 c). Dagegen spricht nicht, dass Altersrenten schon zeitlich vor dem Vollstreckungsschutz des § 851 c ZPO eine „potentielle Unpfändbarkeit“ anhaftet (so aber Henning, VIA 2009, 17, 19). Ein derartiger Schutz besteht – wie oben dargelegt – nicht, weil die Altersrente vor der Umwandlung uneingeschränkt pfändbar ist (siehe OLG Naumburg, Urteil vom 03.12.2010) 5 U 96/10 Randziffer 35 f).

Amtsgericht Köln, Urteil vom 31.05.2012, 130 C 25/12 [18 KB]

Zahlung auf Verbindlichkeiten Dritter


Eine Leistung, die der spätere Insolvenzschuldner zur Tilgung einer Forderung des Leistungsempfängers gegen einen Dritten erbringt, ist unentgeltlich, wenn der Empfänger keine ausgleichende Gegenleistung zu erbringen hat.

Für die Frage, ob der künftige Insolvenzschuldner eine unentgeltliche Leistung erbracht hat, sind eine entsprechende Leistungsverpflichtung gegenüber einem Dritten oder gegenüber einem Dritten verfolgte wirtschaftliche Interessen oder Vorteile unerheblich.

Die Gegenleistung des Empfängers, dessen gegen einen Dritten gerichtete Forderung bezahlt wird, liegt in der Regel darin, dass er eine werthaltige Forderung gegen seinen Schuldner verliert.

Die Leistung, die der spätere Insolvenzschuldner zur Tilgung einer nicht werthaltigen Forderung des Empfängers gegen einen Dritten erbringt, ist nicht deshalb entgeltlich, weil der Empfänger zu einem früheren Zeitpunkt seinerseits Leistungen an den Dritten erbracht hat, die eine Gegenleistung zu der nun erfüllten Forderung darstellten.

BGH, Urteil v. 30.03.2006 - IX ZR 84/05 [79 KB]

Unentgeltlichkeit einer Drittzahlung


Eine Drittzahlung ist unentgeltlich, wenn der Schuldner des Leistungsempfängers im Zeitpunkt der Bewirkung der Leistung insolvenzreif war.
Auch im Fall einer Drittzahlung des späteren Insolvenzschuldners auf eine nicht durchsetzbare Forderung des Leistungsempfängers gilt die vierjährige Anfechtungsfrist.

BGH, Urteil vom 22.10.2009 - IX ZR 182/08 [91 KB]

Ausführlich zur Zahlungsunfähigkeit


Eine bloße Zahlungsstockung ist anzunehmen, wenn der Zeitraum nicht überschritten wird, den eine kreditwürdige Person benötigt, um sich die benötigten Mittel zu leihen. Dafür erscheinen drei Wochen erforderlich, aber auch ausreichend.

Beträgt eine innerhalb von drei Wochen nicht zu beseitigende Liquiditätslücke des Schuldners weniger als 10 % seiner fälligen Gesamtverbindlichkeiten, ist regelmäßig von Zahlungsfähigkeit auszugehen, es sei denn, es ist bereits absehbar, daß die Lücke demnächst mehr als 10 % erreichen wird.

Beträgt die Liquiditätslücke des Schuldners 10 % oder mehr, ist regelmäßig von Zahlungsunfähigkeit auszugehen, sofern nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, daß die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig beseitigt werden wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zuzumuten ist.

BGH, Urteil vom 24. Mai 2005 - IX ZR 123/04 [73 KB]

Zur Kenntnis von der drohenden Zahlungsunfähigkeit



Zur Kenntnis des Anfechtungsgegners von der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners aufgrund der Kenntnis von Umständen, die zwingend auf eine drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit hinweisen.

BGH, Urteil vom 8. Oktober 2009 - IX ZR 173/07

Zur Kenntnis des Anfechtungsgegners von der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners aufgrund der Kenntnis von Umständen, die zwingend auf eine drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit hinweisen.

BGH, Urteil vom 8. Oktober 2009 - IX ZR 173/07 [93 KB]

Zur Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit


Der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz nach § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO setzt kein unlauteres Zusammenwirken von Schuldner und Gläubiger voraus.

Von einem Gläubiger, der Umstände kennt, die zwingend auf eine mindestens drohende Zahlungsunfähigkeit schließen lassen, ist zu vermuten, daß er auch die drohende Zahlungsunfähigkeit selbst kennt.

BGH, Urteil vom 17. Juli 2003 - IX ZR 272/02 [70 KB]

Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit bei Ratenzahlung


InsO § 17 Abs. 1 und 2, § 133 Abs. 1 Satz 2

Der Gläubiger hat zu beweisen, dass die bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit des Schuldners durch eine mit ihm getroffene Ratenzahlungsvereinbarung nachträglich entfallen ist.

InsO § 133 Abs. 1 Satz 2

Die Kenntnis des Gläubigers von einer bestehenden Zahlungsunfähigkeit entfällt nicht durch den Abschluss einer von dem Schuldner vereinbarungsgemäß bedienten Ratenzahlungsvereinbarung, wenn bei dem gewerblich tätigen Schuldner mit weiteren Gläubigern zu rechnen ist, die keinen vergleichbaren Druck zur Eintreibung ihrer Forderungen ausüben.

InsO § 133 Abs. 1 Satz 1

Begleicht der Schuldner die gegen einen Dritten gerichtete Forderung des Gläubigers, greift das Beweisanzeichen der inkongruenten Deckung ein, wenn zum Zeitpunkt der Leistung Anlass bestand, an der Zahlungsfähigkeit des Schuldners zu zweifeln.

BGH, Urteil vom 6. Dezember 2012 - IX ZR 3/12 [192 KB]

Feststellung der Zahlungsunfähigkeit


Zu den Anforderungen an die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit durch den Tatrichter bei Insolvenzanfechtung:
"Das Berufungsgericht meint [...] Die Feststellung einer Zahlungsunfähigkeit habe auf der Grundlage eines Finanzstatuts zu erfolgen, das aus dem Rechnungswesen abzuleiten sei und das verfügbare Finanzmittelpotential des Unternehmens sowie dessen Verbindlichkeiten inventarmäßig erfasse. Der Kläger sei seiner Pflicht zu substantiiertem Vortrag unzureichend nachgekommen, weil er zwar den Stand der Verbindlichkeiten, bezogen auf den 20. April und 4. Mai 2000, mitgeteilt und auch angegeben habe, dass der Kreditspielraum fast vollständig ausgeschöpft gewesen sei. Diese Angaben reichten aber nicht aus. Es fehlten Angaben zu dem Bestand an fälligen Forderungen der Schuldnerin. Deren Kenntnis sei unverzichtbar, um die Zahlungsunfähigkeit feststellen zu können. Insoweit müsse auszuschließen sein, dass sich die Schuldnerin kurzfristig, innerhalb von zwei bis drei Wochen, die erforderlichen flüssigen Mittel habe beschaffen können, um die Verbindlichkeiten zu begleichen. Erforderlich seien deshalb Liquiditätsbilanzen zum 20. April 2000 und zum 4. Mai 2000.

II. Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand. [...]

Zahlungseinstellung ist dasjenige äußere Verhalten des Schuldners, in dem sich typischerweise eine Zahlungsunfähigkeit ausdrückt. Es muss sich also mindestens für die beteiligten Verkehrskreise der berechtigte Eindruck aufdrängen, dass der Schuldner nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen (BGHZ 149, 178, 184 f; BGH, Urt. v. 9. Januar 2003 - IX ZR 175/02, ZIP 2003, 410, 411; HK-InsO/Kirchhof, aaO § 17 Rn. 25; zur 3-Wochen-Frist vgl. nunmehr BGHZ 163, 134, 139 f).
[...]
Die Frage, ob noch von einer vorübergehenden Zahlungsstockung oder schon von einer (endgültigen) Zahlungsunfähigkeit auszugehen ist, muss allein aufgrund der objektiven Umstände beantwortet werden (BGHZ 163, 134, 140; MünchKomm-InsO/Eilenberger, § 17 Rn. 6; HK-InsO/Kirchhof, aaO § 17 Rn. 5). Zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO kann eine Liquiditätsbilanz aufzustellen sein. Dabei sind die im maßgeblichen Zeitpunkt verfügbaren und innerhalb von drei Wochen flüssig zu machenden Mittel in Beziehung zu setzen zu den am selben Stichtag fälligen und eingeforderten Verbindlichkeiten (vgl. BGHZ 163, 134, 138; HK-InsO/Kirchhof, aaO § 17 Rn. 24; MünchKomm-InsO/Eilenberger, § 17 Rn. 10; Uhlenbruck, InsO 12. Aufl. § 17 Rn. 18). Eine solche Liquiditätsbilanz ist jedoch nicht erforderlich, wenn anderweitig festgestellt werden kann, dass der Schuldner einen wesentlichen Teil seiner fälligen Verbindlichkeiten nicht bezahlen konnte. Die vom Berufungsgericht geforderte Liquiditätsbilanz ist nötig, wenn eine Prognose erforderlich ist, also etwa im Rahmen der Frage, ob Insolvenzantrag zu stellen oder ein Insolvenzverfahren zu eröffnen ist (vgl. BGHZ 163, 134, 140). Im Anfechtungsprozess lässt sich auch auf andere Weise feststellen, ob und was der Schuldner zahlen konnte. Haben im fraglichen Zeitpunkt fällige Verbindlichkeiten bestanden, die bis zur Verfahrenseröffnung nicht mehr beglichen worden sind, ist regelmäßig von der Zahlungsunfähigkeit zu diesem Zeitpunkt auszugehen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn auf Grund konkreter Umstände, die sich nachträglich geändert haben, damals angenommen werden konnte, der Schuldner werde rechtzeitig in der Lage sein, die Verbindlichkeiten zu erfüllen. Dass nicht lediglich eine Zahlungsstockung vorlag, ist im Nachhinein ohne weiteres feststellbar. Es bedarf insoweit keiner Prognose."

BGH, Urteil vom 12. Oktober 2006 - IX ZR 228/03 [89 KB]

Feststellung der Zahlungseinstellung


Zur Feststellung der Zahlungseinstellung auf der Grundlage von Indizien.

BGH, Urteil vom 18. Juli 2013 - IX ZR 143/12 [133 KB]

Zur Zahlungsunfähigkeit


1. Eine bloße Zahlungsstockung ist anzunehmen, wenn der Zeitraum nicht überschritten wird, den eine kreditwürdige Person benötigt, um sich die benötigten Mittel zu leihen. Dafür erscheinen drei Wochen erforderlich, aber auch ausreichend.

2. Beträgt eine innerhalb von drei Wochen nicht zu beseitigende Liquiditätslücke des Schuldners weniger als 10 % seiner fälligen Gesamtverbindlichkeiten, ist regelmäßig von Zahlungsfähigkeit auszugehen, es sei denn, es ist bereits absehbar, daß die Lücke demnächst mehr als 10 % erreichen wird.
3. Beträgt die Liquiditätslücke des Schuldners 10 % oder mehr, ist regelmäßig von Zahlungsunfähigkeit auszugehen, sofern nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, daß die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig beseitigt werden wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zuzumuten ist.

BGH, Urteil vom 24. Mai 2005 - IX ZR 123/04 [73 KB]

Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit


...

Von einer Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit kann nicht ausgegangen werden, wenn sich der Schuldner durch die Befriedigung seiner gegenwärtigen Gläubiger der Mittel entäußert, die er zur Begleichung seiner künftigen, alsbald fällig werdenden Verbindlichkeiten benötigt.

BGH, Urteil vom 25. Oktober 2012 - IX ZR 117/11 [141 KB]

Gestundete Forderungen und Zahlungsunfähigkeit


Fällige Forderungen bleiben bei der Prüfung der Zahlungsunfähigkeit nur außer Betracht, sofern sie mindestens rein tatsächlich - also auch ohne rechtlichen Bindungswillen - gestundet sind. Eine Forderung ist stets zu berücksichtigen, wenn der Schuldner sie durch eine Kündigung fällig stellt und von sich aus gegenüber dem Gläubiger die alsbaldige Erfüllung zusagt.

BGH, Urteil vom 14. Mai 2009 - IX ZR 63/08 [103 KB]

Verrechnungen im Kontokorrent


Verrechnungen im Kontokorrent zur Erfüllung eigener Ansprüche der Bank sind nicht als Bardeckung unanfechtbar. Ein Kredit zur Ablösung von Verbindlichkeiten des Schuldners, für welche die Bank sich verbürgt hat, stellt keine gleichwertige Gegenleistung für die Verrechnung von Zahlungseingängen dar, wenn und soweit die Bank endgültig von ihrer Bürgschaftsverbindlichkeit frei geworden ist.

BGH, Urteil v. 11.10.2007 - IX ZR 195/04 [79 KB]

Darlehensrückzahlung kein Bargeschäft


Die Rückzahlung eines Darlehens stellt keine unmittelbare Gegenleistung für die Darlehensgewährung i. S. v. § 142 InsO dar. Denn beim Darlehen steht nicht die Rückzahlung, sondern die Verzinsung im Gegenseitigkeitsverhältnis zur Gewährung des Darlehens, weshalb insoweit ein Bargeschäft ausscheidet.

OLG Celle, Beschl. v. 08.10.2012 - 13 U 95/12 [18 KB]

Bargeschäft bei Leistugen eines Rechtsanwalts


Zur Frage des Bargeschäfts bei Leistungen eines Rechtsanwalts, den der Schuldner mit der Stellung des Insolvenzantrages und der Entwicklung eines Insolvenzplanes beauftragt hat.

BGH, Urteil vom 6. Dezember 2007 - IX ZR 113/06 [94 KB]

Erstattungspflicht von Zinsen und Nutzungen


Bei anfechtbarem Erwerb von Geld hat der Anfechtungsgegner Prozesszinsen ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu entrichten.

Gezogene oder schuldhaft nicht gezogene Zinsen sind als Nutzungen ab dem Zeitpunkt der Vornahme der anfechtbaren Rechtshandlung herauszugeben.

BGH, Urteil vom 1. Februar 2007 - IX ZR 96/04 [102 KB]

Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit


Tilgt der Schuldner Sozialversicherungsbeiträge über einen Zeitraum von zehn Monaten jeweils mit einer Verspätung von drei bis vier Wochen, kann das Tatgericht zu der Würdigung gelangen, dass der Sozialversicherungsträger allein aus diesem Umstand nicht auf eine Zahlungseinstellung des Schuldners schließen musste.

BGH, Urteil vom 7. November 2013 - IX ZR 49/13 [119 KB]

Zum Umfang der proz. Darlegungslast des Verwalters


Zum Umfang der Darlegungslast des Insolvenzverwalters im Anfechtungsrechtsstreit hinsichtlich der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zu einem bestimmten Zeitpunkt:

[...] Es war Sache des Klägers, den Bestand und die Fälligkeit der Verbindlichkeiten der Schuldnerin ausreichend vorzutragen und unter Beweis zu stellen. Bei der Frage, welche Anforderungen dabei an die Darlegungslast zu stellen sind, ist insbesondere zu berücksichtigen, ob sich die vorzutragenden Geschehnisse im Wahrnehmungsbereich einer Partei abgespielt haben. Dem Insolvenzverwalter stehen häufig zur Begründung einer Anfechtungsklage über die aufgefundenen schriftlichen Unterlagen hinaus nur geringe Erkenntnismöglichkeiten zur Verfügung. Zu hohe Anforderungen an die Substantiierungslast würden daher häufig die Erfolgsaussichten einer Anfechtungsklage von vornherein vereiteln. Deshalb reicht ein Vortrag aus, der zwar in bestimmten Punkten lückenhaft ist, eine Ergänzung fehlender Tatsachen aber auf der Grundlage allgemeiner Erfahrungen und Gebräuche im Geschäftsverkehr zulässt (BGH, Urt. v. 8. Oktober 1998 - IX ZR 337/97, ZIP 1998, 2008, 2010). Deshalb kann die Vorlage von Listen über die Verbindlichkeiten der Schuldnerin in Verbindung mit ergänzenden Anlagen, insbesondere den Rechnungen der Gläubiger, zur Substantiierung genügen, wenn sich hieraus die notwendigen Informationen über den jeweiligen Anspruch und seine Fälligkeit entnehmen lassen.

BGH, Beschluss vom 12. Juli 2007 - IX ZR 210/04 [72 KB]

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Hans-Peter Müller | Rechtsanwalt | Insolvenzverwalter